„Der Mehrwert überwiegt“

27. Dezember 2023 | 1. Damen

So beurteilt Trainer Thomas Cordes die bisherige Saison des TV Oyten

Herr Cordes, nach 13 von 24 Saisonspielen stehen sie mit den Drittliga-Handballerinnen des TV Oyten mit 4:22 Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz. Weil die Liga, die derzeit aus vier Staffeln besteht, von 48 auf 36 Teams reduziert wird, kommt es zu einer erhöhten Anzahl an Absteigern. Ihr Team wird es sehr wahrscheinlich erwischen. War es dennoch die richtige Entscheidung, das Aufstiegsrecht in die 3. Liga wahrzunehmen?

Thomas Cordes: Ja, auf jeden Fall. Ich denke, dass der Mehrwert am Ende der Saison für alle Beteiligten überwiegt. Wenn man dann in die neue Regionalliga geht, macht das auch im Gesamtkonstrukt des Vereins Sinn. Mit der zweiten Mannschaft in der Oberliga ist das eine sehr gute Kombination und gute Ausgangssituation für die folgende Saison.

Und wie beurteilen Sie die sportliche Situation ihrer Mannschaft?

Die Erfahrungen, die wir in dieser Saison sammeln, nimmt uns niemand mehr. Neulich hat mich ein Trainerkollege gefragt, wie es denn so bei uns läuft. Ich habe ihm gesagt: Wir sind mit vier Punkten Vorletzter. Er meinte daraufhin, das wäre doch okay. Denn es habe sicher Leute gegeben, die uns nicht einen Punkt zugetraut hätten. Jetzt könnte ich es mir einfach machen und sagen: Wir haben schon mal vier Punkte und haben in dem einen oder anderen Spiel an weiteren Erfolgen geschnuppert. Aber rein von der sportlichen Ebene ist ja auch das eingetreten, was wir auch erwartet haben.

Aber Sie hätten doch sicher gerne mehr Punkte auf dem Konto? Gerade weil auch knappe Niederlagen dabei waren.

Natürlich, klar. Das ist dann auch irgendwie das Gute im Schlechten. Wir haben festgestellt, dass einige Gegner mit uns auf Augenhöhe unterwegs sind. In diesen Spielen haben Nuancen gefehlt. Aber ich bin nach wie vor aufgeräumt. Wir brauchen auch diese Erfahrungswerte, damit man in Zukunft diese knappen Spiele für sich entscheidet. Ich trauere aber keinem Punkt hinterher. Das wäre auch der falsche Ansatz. Viel mehr sehe ich es positiv, dass die Möglichkeit bestand, diese Punkte holen zu können. Das zeigt, dass wir in Oyten nicht so auf dem falschen Weg sind. Man darf auch nicht verkennen, dass wir mit einer jungen Mannschaft angetreten sind, in der nur wenige Spielerinnen zuvor Drittliga-Erfahrung gemacht haben. Zudem standen viele Spielerinnen vorher nicht in diesem Fokus, spielen jetzt aber wie selbstverständlich 3. Liga.

Sie haben im Laufe der Saison schon häufig hervorgehoben, dass die Entwicklung im Vordergrund steht. Welche Spielerin hat in den vergangenen Monaten den größten Sprung gemacht?

Das ist differenziert zu betrachten. Was auch ein Merkmal der Hinrunde war: Wir hatten viele Verletzte. Hinten raus sprechen wir über fünf, sechs Verletzungen. Das ist nicht nur für die Mannschaft ärgerlich, sondern auch für die einzelne Spielerin. Nehmen wir als Beispiel Lisa-Marie Gerling. Sie hat auf Linksaußen eine sehr, sehr positive Entwicklung genommen. Sie scheidet dann mit einem Bänderriss an einem Punkt aus, der extrem schade ist. Denn sie gehört zu den Spielerinnen, die sich voll reinbeißen und eben eine tolle Entwicklung genommen haben. Das gilt auch für Larissa Gärdes, die viele gute Spiele im Tor gemacht hat. Sie ist eine gewisse Konstante, die wir haben und uns hilft. In der jüngeren Vergangenheit hat auch Jasmin Johannesmann im Angriff gute Spiele gemacht. Es gibt eine ganze Reihe bei den Mädels, die individuell Schritte nach vorne gemacht haben. Das Problem bei uns ist eher, dass wir unsere Leistung auf der Platte nicht über 60 Minuten kompensiert bekommen. Das mache ich aber auch daran fest, dass uns hin und wieder die Alternativen fehlen. Und somit kommt man wieder zu dem Thema, dass wir oft eine Handvoll Verletzte vor uns hergeschoben haben. Das lichtet sich Ende Januar hoffentlich. Die Tendenzen sind sehr positiv, dass wir bald wieder breiter aufgestellt sind. Uns zeichnet ja auch aus, dass wir nicht die eine Toptorjägerin haben.

Aber eine Spielerin wie Pia Franke, die vor ihrem Abgang nach der vergangenen Saison etliche Tore für den TVO erzielt hat, hätten Sie schon gerne in Ihren Reihen und würde dem Team auch gut zu Gesicht stehen?

Das Wort vermissen wäre bei diesem Thema wohl zu groß. Mein Auftrag ist es, die Spielerinnen, die da sind, zu entwickeln. Das tun sie am Ende des Tages über Spielzeiten. Dass wir jetzt in solch einer Liga die Situation haben, in der Fehler doppelt bestraft werden, das ist so. Das Los haben wir. Ich kann das schon gut einordnen. Daher trauere ich auch niemandem hinterher oder bin nicht traurig, dass wir die eine oder andere Spielerin nicht haben. Wir haben eine Truppe, in der alle Bock haben. Und es ist ja auch mit einem Fragezeichen versehen, ob wir in der Tabelle besser dastehen würden, wenn wir die eine Spielerin hätten, die jedes Mal zehn Tore wirft.

Fakt ist aber: Es wurde oft verloren. Wie oft musste das Trainerteam schon den Seelsorger spielen oder hat sich das in Grenzen gehalten?

In dieser Hinsicht bin ich froh über meine Erfahrung, die ich mit der männlichen A-Jugend des TV Oyten in der Bundesliga gemacht habe. Vom Prinzip war es da ähnlich – wir waren in gefühlt jedem Spiel der Außenseiter und hatten nirgends etwas zu verlieren. Auch damals gab es zum Teil sehr deutliche Niederlagen. Von daher gehe ich auch jetzt realistisch an die Sache heran und versuche, das zu verkörpern. Das merken die Mädels natürlich auch. Es gab auch mal Spiele, über die man am Montag darauf einen Moment länger sprechen muss. Aber alles in allem – und das zeigt auch die Stabilität dieser Mannschaft – kommen alle gerne zum Training und die Stimmung ist gut. Das zeigt, dass viele Dinge gut laufen und man die Mädels nach einer Niederlage gut aufbauen kann.

Nicht nur die Spielerinnen verlieren ungern, sondern Sie als Trainer sicher auch nicht. Wie gehen Sie damit um, dass der Großteil der Partien verloren wird?

Ich sehe gar nicht so die Einzelergebnisse. Natürlich fahre ich nach einem Spiel wie jetzt beim VfL Oldenburg II, wo die zweite Halbzeit wirklich nicht gut war, nicht freudestrahlend nach Hause. Da ärgere ich mich am Abend und vielleicht noch am anderen Tag ebenfalls. Auch das muss man aber einordnen: Wenn ich vor der Saison gesagt hätte, dass wir Fünfter werden wollen, wäre das nicht realistisch gewesen. Für mich sind die kleinen Entwicklungen die Dinge, an denen ich mich selbst messe. Von daher spielen die Niederlagen für mich nur sekundär eine Rolle. Es muss darum gehen, dass die Dinge eintreffen, die man sich vornimmt. Und das sehe ich nach wie vor. Wir müssen aber dennoch kritisch bleiben und schauen, ist alles richtig, was wir machen. Das macht diese Aufgabe ja auch so spannend und ich habe mich daher ganz bewusst dafür entschieden, mal den eigenen Komfortbereich zu verlassen – und ich bin damit weiterhin glücklich.

Sie sprechen Ihre Komfortzone an. Bisher haben Sie überwiegend in der Jugend trainiert, nun aber erstmals ein Frauenteam. Wie groß sind die Unterschiede?

Einfach gesagt: Handball ist erst einmal Handball. Natürlich sind die Körperlichkeit und das körperbetonte Spiel bei den Frauen anders als bei den Männern. Das kann man bei uns an den Doppelspieltagen gut sehen, wenn zuerst wir dran sind und anschließend unsere Oberliga-Männer. Dann ist da aber auch das Drumherum. Wenn mir jetzt eine Spielerin sagt, dass sie aufgrund von Schichtdienst nicht trainieren kann, habe ich solche Situationen im Jugendbereich weniger. Ich bilde auch jetzt eher individuell und in Kleingruppen aus und mache nicht übertrieben viel Spieltaktik. Auch das ist eine gewisse Ähnlichkeit zum Jugendbereich. Ganz so viel unterscheiden sich die beiden Bereiche nicht. Wenn man über konkrete Unterschiede spricht, geht es für mich in den Bereich, der mit Handball weniger zu tun hat. Wir reden über erwachsene Menschen, bei denen es mal nicht so laufen kann, weil man durch andere Dinge – zum Beispiel wegen des Berufs – belastet ist. Ich kann für mich sagen, dass der handballerische Unterschied im Körperlichen liegt. Bei den Frauen beruht der Erfolg mehr auf Schnelligkeit und Technik, während bei der männlichen Jugend die individuelle Körperlichkeit auch mal das eine oder andere Tor mehr ausmachen kann.

Inwiefern mussten Sie Ihre Arbeit als Trainer umstellen?

Das habe ich tatsächlich nicht getan. Ich arbeite vom Prinzip her wie immer. Viele Elemente, die ich im Jugend- oder Herren-Handball anwenden würde, wende ich jetzt auch an.

Elf Spiele stehen noch an. Was nehmen Sie sich für den Rest der Saison vor?

Bei uns trifft es ganz gut zu, dass wir von Spiel zu Spiel denken. Es geht natürlich darum, dass wir eine gute Rückrunde spielen wollen. Gegen die Mannschaften, mit denen wir auf Augenhöhe waren, wollen wir auch das zweite Spiel auf Augenhöhe führen. Es ist sicher auch so, dass wir gerne den einen oder anderen Punkt mehr holen wollen. Wir tun aber gut daran, wenn wir jetzt unsere Verletztensituation aufarbeiten und möglichst gut unsere elf Spiele absolvieren. Aktuell ist es müßig, darüber zu sprechen, ob das am Saisonende noch für irgendwas reichen kann.

Also schwirrt das Erreichen des Klassenerhalts nicht mehr im Hinterkopf umher?

Das ist für mich überhaupt kein vorrangiges Thema. Solange wir nicht in dem Bereich sind, dass irgendwas möglich ist, mache ich mich nicht verrückt. Es muss darum gehen, dass wir unseren Weg weitergehen. Ich habe die Mannschaft erst ein halbes Jahr. Da ist es nachvollziehbar, dass ich auch noch im Lernprozess stecke. Wichtig ist, dass wir das Ganze weiter mit hoher Motivation betreiben und uns kleinere Ziele für das jeweilige Spiel vornehmen. Wie gesagt: Wir gucken am Ende der Saison, was dabei herauskommt.

Der Deutsche Handballbund reduziert wie anfangs erwähnt zur neuen Saison die Anzahl der Teams, die in der 3. Liga antreten ein weiteres Mal. Wird es für kleine Vereine wie den TV Oyten in der Zukunft überhaupt noch möglich sein, sich in der Klasse dauerhaft zu etablieren?

Es wird mit Sicherheit schwieriger, perspektivisch so eine Liga zu halten. Dass mein Team aktuell diese Liga bespielt, ist gut und wichtig für unsere ganze Handballregion. Wir haben aber auch kein großes Budget und können keine Stars einkaufen. Wir arbeiten mit regionalen Talenten, was auch gut ist. Das muss für einen Verein, wie wir einer sind, auch das Ziel bleiben. In einer dritten Liga mit drei Staffeln bestehen zu können, wird nicht so einfach sein. Auch Trainerkollegen, die mit ihren Mannschaften in der 3. Liga einen Platz haben werden, wissen nicht, ob das alles so gut ist. Es stehen dann unter anderem enorme Fahrtwege an und man muss im Grunde vier- bis fünfmal die Woche trainieren. Überwiegend sind es aber Spielerinnen, die das alles neben ihrem Beruf betreiben. Ich bin mir sicher: Es wird sich die berühmte Spreu vom Weizen trennen. Da werden nur die Vereine übrig bleiben, die dieses Halb-Profitum betreiben können und möchten. Daher bin ich auch da aufgeräumt: Sollte es für uns nächste Saison in die neue Regionalliga gehen, ist das vollkommen okay.

Das Interview führte Florian Cordes.

ZUR PERSON

Thomas Cordes (39)

ist Trainer der Drittliga-Handballerinnen des TV Oyten. Übernommen hat er das Team vor der laufenden Saison und beendete damit eine mehrjährige Pause als Vereinstrainer. Vor seinem Engagement bei Oytens Drittliga-Frauen führte er die männliche A-Jugend des TVO gleich zweimal in die Jugend-Bundesliga.

Quelle: Achimer Kurier – Autor: Florian Cordes

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